Die richtige Konsequenz?

Strafe oder Konsequenz?

Ich möchte ein paar Worte zum Thema Konsequenzen schreiben, da im Familienkontext immer wieder die Rede davon ist. 

Irgendwann haben Erwachsene mal gelernt, konsequent sein zu müssen mit Kindern. Ich vermute, dass sie das gelernt haben, als sie selbst Kind und Erwachsene „konsequent“ waren. Konsequent sein hieß (und wird heute oft immer noch so verstanden), dass auf ein bestimmtes Verhalten eines Kindes ein anderes Verhalten des Erwachsenen folgen muss, damit das Kind sich ändert. 

Nun, das mag ich mir doch mal genauer anschauen. 

Was ist natürlicherweise eine Konsequenz?

  • Eine Konsequenz ist die natürliche Folge auf eine Situation oder auf ein Verhalten. Wenn ich mit dem Stuhl kipple und dabei stürze ist die Konsequenz wahrscheinlich, dass ich mir weh tue. Oder ich remple jemanden an und er reagiert spontan mit einem Ausruf. Und lasse ich mir morgens Zeit, um zum Bus zu kommen, dann ist die Konsequenz, dass ich ihn verpasse, sehr wahrscheinlich.

Was ist keine Konsequenz, sondern eine Strafe?

  • Wenn ein Kind beim Essen kippelt und keinen Nachtisch bekommt, dann ist das eine Strafe. Jemand hat sich diese „Folge“ ausgedacht, sie passiert nicht natürlicherweise. Fällt dem Kind beim kippeln allerdings der Nachtisch auf den Boden, dann ist Tatsache, dass es jetzt keinen Nachtisch mehr essen kann, eine natürliche Konsequenz. Steht noch Pudding auf dem Tisch und ein Ersatz wird verweigert, ist das Wiederrum eine Strafe.

Was genau macht für das Kind den Unterschied?

  • Eine Konsequenz findet einfach statt und ein Kind lernt daraus: „Aha, wenn ich nicht aufpasse beim kippeln, dann fällt mir der Pudding aus der Hand und ist weg.“ Oder „Wenn ich kipple, kann ich mir weh tun, also lasse ich das lieber.“
  • Eine Strafe tut emotional weh, da das Kind zusätzlich zur natürlichen Konsequenz noch beschämt wird. Es kann den Zusammenhang nicht verstehen, also fühlt es sich einfach falsch. Gelernt wird „Ich verstehe das nicht, es ist ungerecht, ich bin klein, nichts wert, Erwachsene sind gemein.“ Gefühle wie Wut, Ohnmacht, Angst und Scham tauchen auf.

Wenn Erwachsene Kinder bestrafen, dann ist die natürliche Konsequenz, dass die Beziehung geschädigt wird!

Vereinbarte Konsequenzen

  • Natürlich ist es im Zusammenleben wichtig, gemeinsame Rahmenbedingungen festzulegen. Betonung steht hier auf GEMEINSAM. Das heißt nicht, dass ihr euch demokratisch einigen müsst mit euren Kindern! Es bedeutet, dass Jede/r von Euch seine persönlichen Grenzen offenlegt. Als Eltern habt ihr einfach mehr Lebenserfahrung, wisst z.B. mehr über die Gefahren im Internet, also habt ihr natürlich das Recht zu sagen: „Mehr als 30 Minuten am Tag gebe ich Dir nicht. Ich werde auf diese Grenze achten und notfalls das WLAN für Dich sperren oder Dein Tablet in Gewahrsam nehmen.“ Und die Kinder dürfen das blöd finden! Das ist okay, rechtfertige Dich nicht, sondern sei einfach nett, aber konsequent: „Oh ja, das wäre blöd für Dich, das glaub ich Dir.“
  • Mögliche Konsequenzen müssen unbedingt vorher und vor allem gemeinsam mit dem Kind besprochen werden! Kinder wissen oft sehr gut, wo ihre Grenzen sind und vor allem sind sie kooperativ. Sie wünschen sich sehr ein gutes Zusammenleben mit ihrer Familie. Wenn sie merken, dass du dich für sie interessierst ohne sie zu verurteilen für ihr Verhalten, dann teilen sie dir bestimmt auch mit, was eine „Konsequenz“ sein kann, die sie unterstützt.

„Das Kind soll aber lernen, dass sein Verhalten falsch ist!“

Das Problem ist, dass Kinder durch Strafen nicht lernen, dass ihr Verhalten falsch ist, sondern sie sich als Person falsch fühlen! Dies hat erhebliche Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl. Die natürliche Konsequenz von Strafen ist, dass sich Wut, Ohnmacht und Frustration anstauen und woanders abreagiert werden müssen, oft bei Schwächeren. 

Das Kind lernt durch das Beispiel der Erwachsenen, dass es okay ist, Schwächere zu verletzen (es wurde ja durch die Strafe von einem Erwachsenen verletzt).

Ein Freund von mir wurde als Kind von seinem Vater geschlagen. Sein Vater wollte ihm beibringen, ein guter Mensch zu sein, er sollte immer ehrlich sein, fleißig und freundlich. Mein Freund konnte diesen Ansprüchen nicht genügen und immer, wenn er es nicht schaffte, schlug sein Vater ihn. Als ich ihn fragte, ob er das gelernt habe, was sein Vater sich vorstellte, da antwortete er: „Ich habe gelernt, meinen Vater zu hassen. Als er starb, war ich froh, weil er mich nicht mehr schlagen konnte.“

Mein Freund ist trotz der Schläge ein liebevoller, ehrlicher und fleißiger Mensch geworden. Wegen der erlebten Schläge hat er aber eine sehr geringe Frustrationstoleranz und würde am liebsten um sich schlagen, sobald er sich über etwas ärgert.

Wusstest Du, dass Kinder durch Anschreien die gleichen Schmerzen erleben wie durch Schlagen?

Wenn ein Kind angeschrien wird, beschämt, isoliert, ihm Angst gemacht oder es aus seiner Sicht ungerecht behandelt wird (und selbst ein schlagendes Kind hat einen berechtigten Grund für sein Schlagen… wird es bestraft, dann ist es aus seiner Sicht ungerecht!), dann wird im Gehirn das Schmerzzentrum aktiv. 

D.h., das Kind erlebt die gleichen Schmerzen durch Anschreien wie durch Schlagen! 

Du kannst  das daran sehen, dass das Kind zusammen zuckt, die Augen sich weiten, es erstarrt, es scheint durch dich durchzusehen oder es fixiert dich. Das sind Angstreaktionen des Körpers.

Sollte es Dir passieren, dass du dein Kind anschreist, dann ist es sehr wichtig für euer beider seelische Heilung und für eure Beziehung, dass du die Verantwortung dafür übernimmst.

Denn dein Schreien ist nicht die natürliche Konsequenz auf das Verhalten Deines Kindes, sondern die natürliche Konsequenz eines Gefühles in dir, z.B. deiner eigenen Wut oder Ohnmacht. 

Du schreist, weil du dich ohnmächtig gefühlt hast. Und wenn du das ausdrückst, dann kannst du ein Stück heilen, weil du deine Ohnmacht/ Wut etc. annimmst und weil du damit unabhängig wirst vom Verhalten des Kindes. Und das hat Auswirkungen auf dein Kind, denn es hat endlich nicht mehr die Verantwortung für dein Verhalten! 

So kann dein Kind lernen:

  • Besprich mit dem Kind, was du dir wünscht im Zusammenleben. Z.B., dass es den Müll rausbringt
  • Teile mit, warum Dir das wichtig ist und frag das Kind, ob es das kann oder nicht. 
  • Ist die Antwort Ja: freu Dich und vertrau darauf, dass Dein Kind es ernst meint. (Achtung, dass garantiert nicht, dass es das auch einhalten wird/ kann! Es zählt der Wille von Hier und Heute!)
  • Ist die Antwort Nein: frag nach, was es braucht, um das Gewünschte zu tun. Interessiere dich dafür, was deinem Kind dabei schwer fällt, z.B. sein Zimmer aufzuräumen, oder das Handy wegzulegen. Frag, ob du es unterstützen kannst?
  • Verabredet euch ein paar Tage später um beide mitzuteilen, wie es in beider Augen gelaufen ist. Was lief gut, was nicht?

Beispiele für Vereinbarungen und vereinbarte Konsequenzen (nach dem ->):

  • 30 Minuten Spielzeit -> ich als Erwachsene richte eine Bildschirmzeit am Handy ein
  • Geschirrspüler ausräumen -> ich erinnere daran, dass er ausgeräumt wird
  • Zimmer aufräumen -> ich frage nach, wann es soweit ist
  • spätestens am Wochenende soll das Wohnzimmer aufgeräumt sein -> alles, was vom Kind am Samstag noch im Wohnzimmer liegt, packe ich in eine Kiste und stelle sie ins Kinderzimmer (je nach Alter vorher daran erinnern, dass bald Samstag ist und immer auch ankündigen, damit für dein Kind noch eine Chance besteht, die Sachen selbst weg zu räumen)

Beispiele für natürliche Konsequenzen (nach dem ->)

  • Kind räumt nicht, wie abgesprochen, das Zimmer auf -> das Zimmer bleibt unordentlich
  • Kind spielt länger am Handy -> es bekommt Kopfschmerzen, wird unleidlich, aggressiv
  • Kind bringt den Müll nicht runter -> Müll stinkt
  • Kind wird bestraft -> es reagiert seine Frustration woanders ab, wo es weniger gefährlich ist, z.B.
  • schlägt es seine Schwester -> Schwester weint

    Kurzer Abstecher: wenn Kinder sich hauen, dann drücke deine Betroffenheit aus und deine Sorge um beide Kinder. Der Geschlagene braucht Mitgefühl für seinen Schmerz, und der Schlagende braucht Mitgefühl für seine Ohnmacht/ Wut/ seinen Schmerz, also für die Gefühle, die vor dem Schlag da waren. (ich werde in einem anderen Artikel darauf genauer eingehen).

Denk dran: Kinder wollen kooperativ sein! Es ist für sie überlebenswichtig, ein wichtiger Teil der Familie zu sein!
Sie verhalten sich „falsch“, sobald sie sich falsch fühlen. Und du hast es in der Hand, ihnen das Gefühl zu geben, richtig zu sein 🙂