Erste Hilfe bei emotionaler Überforderung

Umgang mit Stress und Bedrohung

In meinem vorigen Artikel habe ich bereits beschrieben, wie Du die aktuelle Situation eines Krieges, z.B. und der Ukraine oder im Nahen Osten, mit Kindern be- und verarbeiten kannst. In diesem Artikel soll es darum gehen, was das Wissen um eine Bedrohung im Nervensystem auslöst und was ich tun kann, um mich (oder mein Kind) bei emotionaler Überforderung zu beruhigen, ohne dabei zu bagatellisieren, etwas Wegzureden, kleinzumachen oder ähnliches.

Auch diesen Artikel habe ich bereits im März 2022 geschrieben und nun, durch den neu entflammten Krieg zwischen Israel und den Palästinensern wird er wieder sehr aktuell.

Wie gehe ich persönlich mit einer Bedrohung um?

Zuerst sei gesagt, dass dieser Krieg, so wie jeder Krieg, ein übermächtiger Angriff ist, dem wir kollektiv ausgeliefert sind. Er passiert. Wir haben es vielleicht geahnt, aber es stand nicht in unserer Macht, ihn fernzuhalten. In Deutschland sind wir weit genug weg, so dass unser Leben nicht direkt bedroht ist. Trotzdem spüren wir die Bedrohung. Mir wird z.B. gerade bewusst, dass ich Menschen kenne, die Familie und Freunde in der Ukraine haben. Ich kenne auch Palästinenser und Israelis! Plötzlich bin ich näher dran!

Es kann also gut sein, dass der Krieg in dir den Kampf oder Fluchtmodus auslöst oder dein Selbst sich schützt, indem du erstarrst, Bilder und Gedanken daran ausblendest. All das ist normal! Unter der Erstarrung liegt meist jedoch eine hohe Ladung Energie und daher ist die Erstarrung keine echte Entspannung.

Unser Hirnstamm ist direkt mit der Retina unseres Auges verbunden. D.h., dass unser Auge unserem Gehirn die Information „Gefahr“ gibt, bevor wir begreifen, was los ist. 

Umgekehrt funktioniert das auch! Du kannst Deinem Gehirn aktiv das Signal geben „Hey, alles gut, niemand will mich umbringen!“

Ich möchte dir gern zwei, wie ich finde, sehr wirkungsvolle Übungen mitgeben. Die Übungen aktivieren den ventralen Vagus, das ist der Teil des autonomen Nervensystems, der für innere Entspannung sorgt, damit wir wieder in soziale Verbindung gehen können.

Du kannst beide Übung gut auch mit Kindern durchführen, sie dauert nur wenige Minuten. Es ist ratsam, 5 -10 Minuten einzuplanen, um nachzuspüren und über die verschiedenen Wahrnehmungen mit den Kindern zu sprechen.

Zwei Kurze und wirkungsvolle Übungen zur Wiederherstellung emotionaler Ruhe:



1. Orientierungsübung

(Quelle: Traumatherapie/ Somatic Experiencing)

Schau dich – und lade die Kinder ebenfalls dazu ein – ganz bewusst im Raum um und zähle (in der Gruppe vielleicht ehr leise im Kopf) Dinge die Du siehst: Dinge, die du besonders magst, die du schön findest, alle runden Dinge, alle Ecken, alles was rot ist…

Bei der Übung passiert folgendes: Durch das Umschauen bekommt das Gehirn das Signal „keine lebensbedrohliche Gefahr im Raum“ und das Zählen bewirkt den Shift in den Neokortex (der Ort des Denkens) und somit weg vom Reptiliengehirn (dem Ort von Kampf oder Flucht).

Schau, was die Übung mit dir macht: beruhigt sich der Puls, atmest du tiefer? Prima!

2. Augenübung

(Quelle: Stanley Rosenberg):

Leg dich auf den Boden und lege deine Hände unter deinen Kopf, so dass Dein Schädel das Gefühl des Gehaltes bekommt. Wenn Du, z.B. mit Schulkindern, keine Möglichkeit des Lebens hast, dann bleibt sitzen. Die Hände bleiben dann entspannt im Schoß liegen. Dann lass beide Augen nach rechts wandern und bleibe dort 30-60 Sekunden. Der Kopf bewegt sich nicht mit, die Nase zeigt weiterhin zur Decke. Nach ca. 30-60 Sekunden bewegst du deine Augen zurück und nach links und bleibst dort ebenfalls für 30-60 Sekunden. Danach kommen deine Augen wieder zur Mitte zurück und schauen zur Decke. Nach einer kurzen Pause – vielleicht kommt ein tiefer Atemzug, ein Gähnen oder Bauchgluckern – kannst du beide Richtungen noch einmal wiederholen, wenn du magst. Wenn deine Daumen am Halsansatz liegen, kannst du nachspüren, ob sich die Nackenmuskulatur auch entspannt. (Im Sitzen: wenn der Kopf mitgeht, ist es okay, wichtig ist, dass die Augen so weit wie möglich nach links oder rechts schauen. Nur keinen Druck und keine Kritik, es soll sich gut anfühlen, alles ist richtig!)

Bleib noch kurz liegen (sitzen) und spüre nach. Wie fühlt sich die Partie um deine Augen an? Dein Gesicht, der Kiefer? Hat sich etwas verändert? Was?

Wenn der ventrale Vagus aktiviert wird, kommt es zu Entspannungsreaktionen des Körpers: Schluckauf, Gähnen, Bauchglucksen, Rülpsen, Lächeln 🙂 Alles ist okay, lade die Kinder ein, es zuzulassen!

Wenn Du die Übung mit Kindern machst: sprecht darüber! Du wirst staunen, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind! 

Schreib mir gern ein Feedback und schau in meiner Übungsgruppe vorbei:

„Gelassenheit und Resilienz im Alltag“ über Zoom.